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Ausstellungen „Depicting the Future“ – Variations

Neue Kunst aus Estland

29.3.2025 – 31.8.2025 im Ostpreußischen Landesmuseum mit Deutschbaltischer Abteilung

Eine Sonderausstellung von estnischen Künstlern und Künstlerinnen der Kunsthochschule Pallas aus Tartu: Mit Jaanus Eensalu, Andrus Kannel, Margus Meinart, Aet Ollisaar, Kadi Pajupuu, Sirje Petersen, Tuuli Puhvel, Anne Rudanovski und Heli Tuksam.

Wie kann man all die Dinge visuell interpretieren, an die wir nur vage denken können? Die Zukunft beginnt mit der Vergangenheit – ein solides Fundament gibt den Mut, weiter zu schauen, als das Auge sehen kann. Diese Metapher regt auch zum Nachdenken über den zeitlichen Horizont des eigenen Lebens an, der sich wie etwas Begrenztes anfühlt, obwohl viele glauben, dass es über den Horizont hinaus noch mehr gibt. Es gibt immer etwas mehr. Ist das beängstigend oder tröstlich? Der Horizont ist ein Versprechen von Weite und Offenheit, die horizontale Unendlichkeit umarmt den ganzen Globus. Können oder sollen wir vorhersagen können, was hinter dem Horizont liegt?

Die Künstler und zugleich Lehrenden an der Kunsthochschule Pallas zeigen ihre Interpretationen. Ausgestellt werden ihre neuesten Werke. Damit möchten sie eine Diskussion über die Bedeutung und Relevanz der Kunst für die Zukunft anregen. Die Ausstellung zeigt zum Teil auch widersprüchliche Ansätze, die das Thema durch die persönlichen Zugänge der Künstler erweitern.
In der Ausstellung wird eine Vielzahl von Medien der Bildenden Kunst präsentiert – Malerei, Skulptur, Fotografie, Textilkunst, Objekte. Kuratiert wurde sie von Aet Ollisaar und Heli Tuksam. Das Ausstellungsdesign stammt von Madis Liplap. Unterstützt wird die Ausstellung von der Pallas University of Applied Sciences in Tartu.

„Depicting the Future. Variations“ ist die Fortsetzung des langjährigen Austauschs zwischen Künstlerinnen und Künstlern aus den zwei Partnerstädten Tartu und Lüneburg. Im Jahr 2016 fand eine Ausstellung von Pallas-Künstlern in Lüneburg statt (Kuratorin Reet Pulk-Piatkowska), gefolgt von Ausstellungen von Lüneburger Künstlern in der Tartuer Pallas-Galerie in den Jahren 2017 und 2024. Darüber hinaus haben im Laufe der Jahre mehrere gegenseitige Besuche, Ausstellungen und Meisterkurse stattgefunden.

(Text von der Webseite des Ostpreußischen Landesmuseums)

Die LZ schreibt hierzu am 8.4.2025:

Lüneburg. Thematische Vorgaben für Gemeinschaftsausstellungen sind dazu da, ausgetrickst zu werden. „Depicting the Future“ heißt: die Zukunft darstellen. Unter diesem Motto stellen im Ostpreußischen Landesmuseum Museum, das eine Deutschbaltische Abteilung hat, neun Künstler aus Estland aus. Das ist keine Science-Fiction-Show, sondern eine Präsentation von Bildern, Objekten und Installationen, mit denen sich Angehörige eines Landes positionieren, das an Russland grenzt. Zurzeit keine angenehme Vorstellung.

Der Ansatz, mit dem die Pflicht zur Zukunft vermieden wird, ist so formuliert: „Wie kann man all die Dinge visuell interpretieren, an die wir nur vage denken können? Die Zukunft beginnt mit der Vergangenheit – ein solides Fundament gibt den Mut, weiter zu schauen, als das Auge sehen kann. Diese Metapher regt auch zum Nachdenken über den zeitlichen Horizont des eigenen Lebens an, der sich wie etwas Begrenztes anfühlt, obwohl viele glauben, dass es über den Horizont hinaus noch mehr gibt.“ Der Blick zurück nach vorn.

Parallelausstellung im Heine-Haus

„Zeitgenössische Kunst haben wir im Museum eher selten“, sagt Dr. Eike Eckert, Kurator der Deutschbaltischen Abteilung. „Depicting the Future. Variations“ ist die Fortsetzung des langjährigen Austauschs zwischen Künstlern aus den Partnerstädten Tartu und Lüneburg. Die Gäste sind allesamt Professoren oder Dozenten der Kunsthochschule Pallas aus Tartu. In die Wege geleitet haben den Besuch die Lüneburgerinnen Ursula Blancke-Dau und Ulrike Hennecke. Beide stellen zurzeit im Heine-Haus aus. Dort läuft gewissermaßen die Partnerveranstaltung, hier sind Arbeiten zu sehen, die 2024 in Estland ausgestellt wurden.

Nun also: Tartu goes Lüneburg. Auffällig ist die Vielfalt der Exponate, das pure klassische Gemälde ist vergleichsweise selten. Viel Wert wird auf das Haptische gelegt, die Stofflichkeit – dazu gehört auch, dass Kunst und Kunsthandwerk in Estland nicht so streng getrennt werden wie bei uns.

Schreib mir, wenn du angekommen bist

Blickfang in der Mitte der Ausstellung ist die Installation „Schreib mir, wenn du angekommen bist“ von Tuuli Puhvel: Ein Zelt, eine Liege, ein Paar Stiefel, alles aus fragilem Material hergestellt, eine Vision. Es geht um die Sehnsucht nach einem naturverbundenen Leben, um den „utopischen Wunsch, ein in die Landschaft eingebetteter Künstler zu sein“. Die Nähe zur Natur, auch die Sorge um das ökologische Stabilität, findet sich in einigen Exponaten, etwa in Textilien aus naturnahen Stoffen.

(Frank Füllgrabe)

LZ am 8.4.2025:

Lüneburg. Tartu ist jetzt gerade in Lüneburg. Lüneburg war in Tartu und ist jetzt auch in Lüneburg: Es gibt gerade allerhand Hin und Her zwischen den Künstlern von Lüneburg und ihren Kollegen aus der estnischen Partnerstadt Tartu. … Im Heinrich-Heine-Haus stellen stellen sich sechs Mitglieder des BBK vor, die im vergangenen Jahr ihre Exponate auf die 1743 Kilometer lange Reise nach Estland geschickt hatten, und nun ihre Arbeiten noch einmal daheim zeigen.

Es geht hier nicht um Science Fiction

Depicting the Future, also: Beschreibung der Zukunft. Das ist kaum wörtlich zu nehmen, es geht hier nicht um Science Fiction. Eher um individuelle Gedankengänge, die über die Reflexion der Vergangenheit in einen Blick nach vorn münden. Was bringt die Zukunft? Klimawandel, Handelszölle, Kriege, wachsende Unsicherheit, Ersetzung der menschlichen Intelligenz durch die künstliche – keine schönen Aussichten.

Mit der Computerentwicklung beschäftigt sich Uwe de Witt, der tatsächlich gern – ironisch gebrochene – SciFi und Fantasy zeichnet. Er stattet in seinem Bilderzyklus stereotype Menschenwesen mit einer VR-Brille für den Blick in die Zukunft aus, aber zugleich werden die Gestalten pixelig, und sie sind anscheinend bekritzelt: „Bohlmann – Virus – activated“ heißt die Serie. Dafür muss man wissen, dass Hans-Joachim Bohlmann ein seelisch schwerkranker Mensch war, der mit Attentaten auf Kunstwerke einen Schaden von 130 Millionen Euro anrichtete.

Emulation der Synapsen

Jessica Kulp ist da deutlich leiser, persönlicher und friedlicher. Ihre Arbeiten sind vor allem gitterartige, begehbare Rückzugsgebiete von naturnaher Unregelmäßigkeit, mit Titeln wie „Wohin mich das jetzt führt“: Refugien der Sammlung und der Positionierung. Aus dem Bewusstsein der Klarheit heraus wächst dann die Kraft dafür, sich auf Neues einzulassen.

Julia Kotenko zeigte in Tartu ihre aufwendige, dystopische Schwarzlichtinstallation „Piiride uurimine“, Ausloten von Grenzen. Im Heine-Haus bleibt es bei Tageslicht, zu sehen sind plakative Gemälde, in denen Menschenwesen zu Strichcodes zerfließen; „Emulation der Synapsen“ und „Versandfertig“ heißen solche Bilder, die Botschaft ist klar: Verengung, Einzwängung und Kontrolle des vielfältigen Lebens zwischen Bits und Bites.

Leben im Einklang mit der Natur

Visionen mit mehr Optimismus pflegt Ulrike Hennecke: weiche, Tuschezeichnungen und Mischtechniken, manchmal durchzogen von Schriftzeichen: Sehnsuchtsorte, Kulissen für eine Menschheit, die im Einklang lebt mit der Natur und sich für sie verantwortlich fühlt. „Um gut zu leben, brauche ich Begegnung, Austausch mit anderen, zugewandt, respektvoll, freundlich“, sagt Hennecke.

Die Welt, die Ursula Blancke-Dau beschreibt, ist bereits wieder vergangen, eine Archäologie der Zukunft gewissermaßen. Ihr zentrales Mobile „fragil“ zeigt Fragmente von Kreaturen, die vom Insekt bis zum menschlichen Fötus reichen, Larven, abgestreifte Häute, feine Gespinste. Das sind Relikte, die jetzt schön aussehen, sie können aber durchaus von Wesen stammen, die einmal schlicht und einfach lästig waren.

Das Spießige im menschlichen Nestbau

Mit Eike Kuhse geht es zurück in die massive Welt der Gegenwart. Sein erstes Thema ist die menschliche, wie verlassen wirkende Behausung, „der Blick auf das vermeintlich Spießige, auf die seltsamen Früchte, die der menschliche Nestbau tragen kann“, sagt Kuhse. Zu seinen schönsten Arbeiten gehört der Blick auf eine tristgraue Fassade mit einem futuristischen Graffiti: „Ich war hier“.

„Depicting the Future“ ist noch bis 20. April mittwochs, freitags, sonnabends und sonntags jeweils von 12 bis 18 Uhr zu sehen. Mehr Zeit ist im Ostpreußenmuseum, die Ausstellung läuft bis Ende August.

(Frank Füllgrabe)

© Deutsch-Estnische Gesellschaft zu Lüneburg